Persönlich nachgefragt

Urs Hunziker im Interview

Dein letztes Jahr im Verlag war geprägt von der Corona-Pandemie - wie war das für dich?
Mein letztes Jahr im AT Verlag war zugleich das verrückteste. Mit Home Office, wochenlang geschlossenen Buchhandlungen, Übergabe der Verlagsleitung, Neubesetzungen im Verlagsteam, Verkauf des Verlages an die BT Holding der Familie Wanner und last but not least dem Umzug an die Bahnhofstrasse in Aarau waren die Herausforderungen besonders gross. So hatte ich gar nicht gross Zeit, an meinem bevorstehenden Abgang herumzustudieren. Dass mein letztes Jahr wirtschaftlich für den Verlag ein sehr erfolgreiches war, hat natürlich alles etwas leichter gemacht.

 

Was hat dich vor mehr als 30 Jahren als Naturwissenschaftler zum AT Verlag geführt?
Ich habe nach meinem Studium einige Jahre in der Raumplanung gearbeitet. Diese Aufgabe war mir auf Dauer zu langweilig und für einen Macher und ungeduldigen Menschen wie mich auch zu sehr von der Politik abhängig. Das Buch als Medium hat mich immer besonders interessiert und fasziniert. Bereits während des Studiums habe ich in einer kleinen Reisebuchhandlung in Bern ausgeholfen. Im Sommer 1987 konnte ich den damaligen Verlagsleiter von AT bei einem Bier in der Brasserie Bärengraben in Bern überzeugen, dass er einen wie mich in seinem Team braucht. 1989 habe ich die Leitung des Verlages übernommen.

 

Auf welche Erfolge mit dem AT Verlag bist du besonders stolz?
Ich bin stolz darauf, dass es mir zusammen mit meinem tollen Team gelungen ist, dem Verlag ein unverwechselbares Gesicht zu geben und vielen kompetenten Autorinnen und Autoren eine verlegerische Heimat zu bieten. Wir haben zusammen immer wieder neue Themen gesetzt und gezeigt, dass inhaltliche Kompetenz und wirtschaftlicher Erfolg kein Widerspruch sein müssen.

 

Hast du einen sechsten Sinn, der dich so oft genau die richtigen neuen Themen für Bücher wählen liess?
Ob ich einen sechsten Sinn habe, weiss ich nicht. Erfolgreiche Programmarbeit hat für mich viel mit Leidenschaft, Neugier, Offenheit und wirklichem Interesse für die Themen zu tun. Mit den Jahren hilft die wachsende Erfahrung, gröbste Fehlgriffe zu vermeiden. Immer wieder neue Programme zusammenzustellen, spannende neue Autorinnen und Autoren kennenzulernen und neue Themen zu erschliessen, war für mich pure Freude. Kommt dazu, dass Monika Schmidhofer, die Leiterin unseres Lektorats und ich uns perfekt ergänzt haben.

 

Du bist leidenschaftlicher Bergsteiger. Was bedeuten Dir die Berge?
In den Bergen unterwegs zu sein, vermittelt mir ein Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit. In der wilden, unberührten Natur erlebe ich immer wieder Momente von purem Glück.

 

Kommt manchmal auch etwas Wehmut auf, wenn Du an den Verlag denkst?
Wehmut kam in meinen letzten Monaten im Verlag immer wieder auf, als ich mich von vielen Menschen in meinem verlegerischen Umfeld und zum Schluss auch vom Team verabschiedet habe. Seit ich aus dem Verlag raus bin, geht mein Blick mehr nach vorne und die Vorfreude auf alles, was kommt, überwiegt. Ich freue mich aber schon darauf, nach Corona mit dem Verlagsteam und einigen anderen Menschen auf unsere gemeinsame Zeit anzustossen.

 

Hat sich dein Leben bereits gravierend verändert, seit du pensioniert bist, oder fühlt es sich noch wie sehr lange Ferien an?
Mein Alltag hat sich natürlich verändert. Meine Lebenssituation fühlt sich weniger an wie lange Ferien als ein weites weisses Feld neuer Möglichkeiten vor sich zu haben. Und vor allem habe ich für alles, was ich tue sowie für Familie und Freunde mehr Zeit. Das empfinde ich als Privileg.

 

Gibt es ein Musikstück, einen Song, den Du mit dem AT Verlag verbindest?
Gute Frage. Etwas zwischen Yellow Submarine und Lucy In The Sky With Diamonds oder «gemeinsam unterwegs in vielen bunten Welten».

 

Herzlichen Dank für das Gespräch.